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Zielkonflikt Energieproduktion – Teil 1: Umweltverträglichkeit

Im Rahmen der Energiewende, die durch die rot-grüne Bundesregierung von 1998 bis 2005 eine beschleunigte Dynamik erfuhr, wurden Windenergie und Photovoltaik als Ersatz der fossilen Energieträger proklamiert. Die Stromproduktion durch die „Erneuerbaren“ sollte die aus §1 des Energiewirtschaftsgesetzes abgeleiteten Anforderungen des energiepolitischen Zieldreiecks, nämlich einer Energieproduktion, die umweltverträglich, versorgungssicher und wirtschaftlich sein soll, erfüllen. Diese Ziele stehen in einem Spannungsverhältnis zueinander, sind aber gleich gewichtig und sollen gleichzeitig erreicht werden. Die „erneuerbaren Energien“, insbesondere die Windkraft, verfehlen unserer Meinung nach alle geforderten Ziele. Dies soll im Folgenden dargelegt werden.

Umweltverträglichkeit

Jede lokale Diskussion um die Errichtung von Windkraftanlagen und jedes energiepolitische Dokument der letzten drei Bundesregierungen enthält den Hinweis, dass die Energiewende dem Umweltschutz diene. Doch unabhängig von Häufigkeit und Tonart, in der die These vom „notwendigen Klimaschutz durch Windkraftausbau in Deutschland“ vorgetragen wird: sie ist grundfalsch. Denn

  1. Deutschland trägt den neuesten Zahlen von Our World in Data zufolge nur 1,85 % zu den globalen CO2-Emissionen bei. Egal, welche Politik hierzulande betrieben wird, wird dieser Anteil weiter sinken, weil allein die Zuwächse in China und Indien unsere gesamten CO2-Emissionen übertreffen. Was in Deutschland jährlich insgesamt an CO2 emittiert wird, entspricht ungefähr der Menge, die in China alle 19 Monate neu hinzukommt. Wenn Deutschland morgen aufhörte zu existieren, so wäre dies in der globalen CO2-Bilanz allein durch China nach gut 1,5 Jahren schon ausgeglichen. Aufgrund dieser Dimensionen ist es ausgeschlossen, dass man von Deutschland aus über die Reduktion von CO2-Emissionen einen Einfluss auf das Weltklima entfalten kann. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage erklärte 2019: „selbst wenn es gelänge, die Emissionen Deutschlands und der EU auf null zu senken, könnte dies somit global nur einen kleinen Beitrag leisten und den Klimawandel nicht aufhalten“.
  1. Die Windkraft kann keinen messbaren Klimaschutz-Beitrag leisten, da sie allein im Stromsektor wirkt. Die großen Sektoren Verkehr und Wärme werden bisher kaum berührt. Maßgeblich für die CO2-Emissionen ist der gesamte Energieverbrauch. Der Anteil der Windkraft am gesamten Primärenergieverbrauch in Deutschland im Jahr 2021 lag bei 3,9 %. Es geht somit um 3,9 % von 1,85 %, also um 0,07 % der globalen Emissionen, die unter theoretischen Bedingungen durch deutsche Windenergie-Anlagen beeinflusst werden können.
  1. Faktisch führt der Windkraftausbau kaum zur CO2-Einsparung, da stets konventionelle Kraftwerke im Hintergrund bereitgehalten werden, um bei Flaute einzuspringen. Diese Kraftwerke werden in den Stop-und-Go-Betrieb gezwungen. Sie arbeiten damit nicht am optimalen Betriebspunkt, dadurch unwirtschaftlich bei höherem Brennstoffverbrauch und höheren CO2-Emissionen, als sie müssten.
  2. Ein wirksames Instrument zur CO2-Reduktion stellt das europäische Emissionshandelssystem dar. Seit 2004 legt es die Gesamtemissionen aller EU-Staaten fest. Alle Emittenten der energetisch relevanten Industriezweige müssen innerhalb des gedeckelten CO2-Kontingents Emissionsrechte (sog. Zertifikate) erwerben. Die Zertifikate werden an Börsen oder zwischen den Anlagenbetreibern frei gehandelt, wobei das Kontingent schrittweise verkleinert wird. Das System stellt im Prinzip sicher, dass das CO2-Reduktionsziel eingehalten wird. Emissionen werden an den Stellen eingespart, wo dies am kostengünstigsten möglich ist. Im Endeffekt bestimmt einzig das EU-weit festgelegte Kontingent an Zertifikaten, wieviel CO2 in Europa emittiert wird. Eine fiktive CO2-Reduktion durch weitere Windenergieanlagen in Deutschland bleibt ohne Effekt auf die globalen Emissionen, sondern erhöht nur die Kosten der Emissionsvermeidung.
  3. Selbst wenn man diese Tatsache außer Acht lässt und unterstellt, dass (fiktive!) CO2-Einsparungen in Deutschland sich tatsächlich in einer Emissionsreduktion ganz Europas niederschlagen, so muss man die Reaktion des Angebots berücksichtigen. Diesen Aspekt hat Prof. Hans-Werner Sinn bereits 2008 als „grünes Paradoxon“ bekannt gemacht. Europäische Länder geben viel Geld aus, um ihre Energieeffizienz zu verbessern, um damit ihre Nachfrage nach fossilen Brennstoffen drosseln zu können. Diese Nachfragepolitik ist aber so lange wirkungslos, wie andere Länder sich nicht beteiligen und die Ressourceneigentümer ihr Angebot nicht verknappen. Stärker nachgefragt: Wenn Europa seinen Appetit auf fossile Energieträger zügelt, werden diese weltweit günstiger und entsprechend in anderen Teilen der Welt nachgefragt. Wenn andere Teile der Welt ihren Appetit ebenfalls zügeln, werden die Scheichs ihre Ölvorräte möglichst schnell versilbern und an die Kunden bringen. Fazit: Solange die Angebotsseite nicht einbezogen wird, ist jede auf die Nachfrage nach fossiler Energie verengte „Klimapolitik“ wirkungslos bis kontraproduktiv.
  4. Kontraproduktiv deshalb, weil der als exzessiver Ausbau von EE-Stromerzeugungsanlagen falsch verstandene Klimaschutz immer größere Kollateralschäden an wichtigen Umweltgütern verursacht – und Ökosysteme gegenüber Risiken des Klimawandels verletzlicher macht. Besonders offensichtlich ist dies bei der Windkraftansiedlung im Wald. Wälder speichern pro Jahr und Hektar rund 10 Tonnen CO2. Pro Windkraftanlage wird ca. ein Hektar Wald gerodet und dauerhaft ökologisch entwertet. Eventuelle Aufforstungen können das nicht ansatzweise ausgleichen, da alte Bäume in jeder Hinsicht ungleich wertvoller als Neupflanzungen sind. Ursprünglicher Wald bietet den besten Erosionsschutz. Sein Boden reinigt und speichert Wasser (Eigenschaften gegen Überschwemmungen und Dürren).

Im Lichte all dessen ist die Behauptung, dass wir die Energiewende und einen beschleunigten Windkraft-Ausbau dringend brauchten, um den Klimawandel aufzuhalten, nur schwer zu verstehen. Einen bitteren Beigeschmack erhält diese Behauptung, wenn man zudem die handfesten ökologischen Schäden bewertet, die der Ausbau der „Energiewende-Technologien“ mit sich bringt.

Geringe Energiedichte

Der inhärente Nachteil der EE ist ihre geringe Energiedichte. Die Konsequenz daraus ist ein immenser Flächenverbrauch bei ihrer Nutzung. Wer die Kraft des Windes „einfangen“ möchte, muss die mühsame Arbeit des Verdichtens erledigen – mit ganz vielen Sammelstationen und Leitungen. Zwangsläufig werden weitgehend intakte Naturräume zu Industriezonen und Rückzugsmöglichkeiten der Fauna sukzessive zerstört. Die Energiewende lässt für Natur keinen Platz. Die Bundesregierung hegt die Absicht 2 % der Fläche Deutschlands für WKA bereitzustellen (das gesamte Straßennetz belegt 2,6 %; sämtliche Industrie- und Gewerbeflächen nutzen 1,7 %). 2% mag für Nicht-Fachkundige harmlos klingen, impliziert aber die flächendeckende Industrialisierung unserer letzten Naturräume und Landschaften. Denn der Einwirkungsbereich von 250 Meter hohen WKAs geht um ein Vielfaches über den bloßen Stellplatz hinaus. Der Flächenfraß, den die Fixierung auf volatile Energiequellen zwangsläufig bedingt, steht der Biodiversitätsstrategie der EU diametral entgegen. Dort heißt es:

„Zum Wohle unserer Umwelt und unserer Wirtschaft […] müssen wir mehr Natur schützen. Zu diesem Zweck sollten mindestens 30 % der Landesfläche und 30 % der Meere in der EU geschützt werden. Dies entspricht einem Plus von mindestens 4 % der Land- und 19 % der Meeresgebiete im Vergleich zu heute. Das Ziel steht voll und ganz im Einklang mit dem, was als Teil des weltweiten Rahmens für die biologische Vielfalt für die Zeit nach 2020 vorgeschlagen wird.“

Kommissionsmitteilung „Mehr Raum für die Natur in unserem Leben“ vom 20.5.2020

Schutzgebiete in Gefahr

Als geeignete Flächen zur Umsetzung des 30-% Flächenanteils werden Naturschutzgebiete, Nationalparks, FFH-und Vogelschutzgebiete, Naturparke, Landschaftsschutzgebiete und Biosphärereservate genannt. Diese Flächen müssen für WKA zwingend tabu bleiben – sind es aber nicht mehr. Dieser Tage bemüht sich die Bundesregierung diesen Tabubruch über das juristische Vehikel der vermeintlichen „öffentlichen Sicherheit“ zu legalisieren und zum neuen Standard zu erheben ( Eckpunktepapier:Beschleunigung des naturverträglichen Ausbaus der Windenergie an Land, BMUV und BMWK).

Die Verdoppelung der WKA seit 2011 hat der Flora und Fauna bereits erheblich geschadet. Das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung geht von jährlich 250.000 getöteten Fledermäusen aus. Die deutschen WKA gefährden Fledermäuse bereits auf Populationsebene. Neben der direkten Tötung durch die Anlagen kommt es dort, wo die Anlagen im Wald betrieben werden zusätzlich zu Lebensraumverlusten durch die Veränderung wichtiger Jagdhabitate oder den Schwund wertvoller Quartiersbäume. Durch weiter ungebremsten Ausbau und überwiegend ungeregeltem Betrieb von WKA werden die Fledermauspopulationen dramatisch einbrechen. Damit würde Deutschland massiv gegen die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU verstoßen, die gebietet, alle Fledermausarten in einem „günstigen Erhaltungszustand“ zu bewahren.

Das Michael-Otto-Institut verzeichnet in seinen Untersuchungen jährlich 100.000 erschlagene Greifvögel. Wie bei den Fledermäusen scheint auch hier die Dunkelziffer um ein Vielfaches höher zu sein. Besonders stark ist das Kollisionsrisiko, wenn WKA im Brut- und Nahrungshabitat von Greifvögeln errichtet werden. Daher hat die Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten im „Helgoländer Papier“ Abstandsempfehlungen zwischen Brutplatz und WKA erarbeitet.

Biodiversitäts-Desaster

Leider finden diese nur unzulänglich Berücksichtigung in die Genehmigungspolitik der Bundesländer. Die Politik ignoriert die Expertise der führenden Avifaunisten. Schon 2011 hat der Ornithologe Martin Flade in seinem preisgekrönten Fachaufsatz „Von der Energiewende zum Biodiversitäts-Desaster“ die fatalen Auswirkungen der auf den Ausbau von Windkraft, Photovoltaik und Biomasse verengten Energiepolitik beschrieben. Raps- und Maismonokulturen dominieren die Felder und Flure. Damit gehen drastische Bestandseinbußen bei Pflanzen und Tieren einher. Durch den Rückgang von Insekten wird vielen Vögeln die Nahrungsgrundlage entzogen. Auch brüten sie kaum in intensiv bewirtschafteten Maisfeldern. Man sieht Rebhühner, Wachteln, Kiebitze, Feldlerchen und Goldammern nur noch selten in der Natur. Artenarmut, Gewässerbelastung und unkontrollierte Methanaustritte sind Resultate exzessiver Biomasse-Verstromung.

Die Bundesregierung verstößt mit ihrem Koalitionsvertrag gegen europäisches Recht und gegen den Green Deal der Europäischen Union.

Zu diesem Ergebnis kommt ein rechtswissenschaftliches Gutachten der Kanzlei Caemmerer Lenz aus Karlsruhe im Auftrag der Naturschutzinitiative e.V. Der auf deutsches und europäisches Umweltrecht spezialisierte Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Dr. Rico Faller, hat zentrale Regelungen im Koalitionsvertrag untersucht, bei denen es insbesondere um den Ausbau der Windenergie in Deutschland geht: Windkraft im Dienste der „öffentlichen Sicherheit“, Abkehr vom Individuenschutz und Ausrichtung auf Populationsschutz, und ein gesetzlicher Vorrang für EE sind allesamt nicht mit EU-Recht vereinbar.[ 3

Umwelt-Watchblog: Rechtsbruch mit Ankündigung – der Frontalangriff der Ampel auf den Naturschutz

Lesen sie auch die weiteren Teile dieser Artikelserie:

  • Teil 1 – Umweltverträglichkeit
  • Teil 2 – Versorgungssicherheit (noch nicht veröffentlicht)
  • Teil 3 – Wirtschaftlichkeit (noch nicht veröffentlicht)